Nachhaltige Mobilität: Der Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrradwegen in Deutschland

Wie ist die Bedeutung des Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel einzuschätzen und wo stehen wir aktuell? Deutschland hinkt hinterher, dabei gäbe es wunderbare Synergieeffekte zwischen öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrradverkehr.

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Wie ist die Bedeutung des Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel einzuschätzen und wo stehen wir aktuell? Deutschland hinkt hinterher, dabei gäbe es wunderbare Synergieeffekte zwischen öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrradverkehr.

Nach Angaben des statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2021 wurden ca. 740 Millionen Tonnen CO2 durch den Straßenverkehr verursacht – eine Erhöhung um 21% im Vergleich zum Jahr 1990. Um die Klimaziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen, wäre allerdings bis 2050 eine Senkung um 90% im Vergleich zu den Werten aus 1990 notwendig. Der Straßenverkehr spielt dabei eine entscheidende Rolle: PKW sind für 12% des Gesamt-CO2-Ausstoßes der EU verantwortlich.

Minimalistische fotorealistische Stadtstraße
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Mit anderen Worten: Es muss sich etwas ändern, und zwar schnell. Unter dem Begriff der Verkehrswende werden verschiedene Maßnahmen diskutiert, um die vereinbarten Klimaziele doch noch erreichen zu können. Als Zwischenschritt ist es seitens der EU vorgesehen, bis 2034 die Emissionen von PKW zumindest um 55% zu senken. 

Das Umweltbundesamt erläutert die vier Eckpunkte der Strategie, um diese Ziele erreichen zu können: Verkehr soll vermieden werden, auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel verlagert werden, die Energieeffizienz soll erhöht werden und es sollen anstelle fossiler Kraftstoffe emissionsfreie Stoffe und Strom genutzt werden. 

Betont wird dabei, dass eine Vermeidung von Verkehr keine Fahrverbote o.Ä. bedeuten soll – vielmehr sei langfristig z.B. über eine bessere Verkehrsplanung, praktikablere Siedlungsstrukturen politisch dafür zu sorgen, dass weniger Verkehr notwendig ist, aber gleichzeitig Mobilität erhalten wird.

Die Bedeutung des Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel für eine nachhaltige Mobilität

Der öffentliche Personennahverkehr wird zum Teil als „Rückgrat der Mobilitätswende“ bezeichnet – und das sicherlich zu Recht. Damit Bus und Bahn aber eine echte Alternative z.B. für Berufspendler*innen darstellen, die bisher mit dem eigenen PKW unterwegs sind, sind in vielen Bereichen Verbesserungen notwendig.

Eine Befragung des ADAC aus dem Jahr 2023 zeigte, dass aus Bevölkerungssicht die wichtigste Maßnahme im Bereich ÖPNV die Verbesserung von Angeboten in ländlichen Gebieten darstellt. Laut einer Umfrage im Auftrag des vzbv sind Verbraucher*innen zudem Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, Informationen bei Störungen, transparente Tarifsysteme und eng getaktete Angebote sehr wichtig.

Menschen, die tagsüber auf dem Bahnhof spazieren gehen
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Eine Studie des DB-Tochterunternehmens ioki aus 2021 kam zu dem Ergebnis, dass der notwendige Ausbau des ÖPNV dabei gar nicht unbedingt räumlich zu verstehen ist: Haltestellen seien grundsätzlich ausreichend vorhanden, allerdings mangele es in ländlichen Bereichen an deren Bedienung. Als mögliche Lösung wird von ioki ein größeres On-Demand-Angebot öffentlicher Verkehrsmittel (z.B. Rufbusse) vorgeschlagen. 

Gleichzeitig ist zu bedenken, dass ein Ausbau des Nahverkehrsangebots immense Kosten verursacht. Nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Urbanistik werden sich für Erhalt und Erweiterung von Schienennetzen, Straßen und Wegen bis 2030 voraussichtlich Kosten von ca. 372 Milliarden Euro ergeben. Die Kommunen als Bauträger und Betreiber der kommunalen Verkehrsbetriebe fordern Unterstützung vom Bund, um dies überhaupt leisten zu können.

Darüber hinaus wird neben Fahrzeugen vor allem auch ausreichend Personal benötigt – hierauf macht unter Darstellung diverser Faktoren das Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende (unter Beteiligung u.a. von BUND, NABU und der Gewerkschaft ver.di) in seiner bereits 2021 veröffentlichten Broschüre aufmerksam.

Elektrobusse in Deutschland: Chancen und Herausforderungen

Der Umstieg von fossilen Kraftstoffen insbesondere auf e-Mobilität ist in deutschen Innenstädten bereits gut sichtbar: Laut einer Studie von PwC fuhren im Jahr 2021 1269 Elektrobusse auf deutschen Straßen und damit fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Besonders viele elektrische Fahrzeuge sind dabei in NRW, Hessen und Hamburg im Einsatz. Dennoch machen Elektrobusse bisher erst ca. 2,4 % Prozent der Gesamtzahl an den im ÖPNV eingesetzten Bussen aus. 

Laut Verkehrsminister Volker Wissing soll bis 2030 jeder zweite Stadtbus elektrisch fahren. Auch die Clean Vehicles Directive der EU sieht Mindestquoten für „saubere“ Busse vor, soweit die Fahrzeuge neu angeschafft werden.

Förderungen werden auch hier dringend benötigt, denn ein Elektrobus erzeugt insbesondere in der Anschaffung zunächst hohe Kosten und ist etwa 2,5-mal so teuer wie ein mit Diesel betriebenes Fahrzeug. Darüber hinaus muss die Infrastruktur zum Laden der Fahrzeuge ausgebaut werden und es müssen zum Teil Abläufe an den elektrischen Betrieb angepasst werden.

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Unterstützung bei der Umstellung erfahren die lokalen Verkehrsbetriebe dabei durch verschiedene Förderprogramme und Forschungsprojekte des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, beispielsweise über die Förderrichtlinie Elektromobilität. Obwohl bereits im Jahr 2022 fast doppelt so viele Förderanträge für den Umstieg auf Elektrofahrzeuge vorlagen, wie Mittel zur Bewilligung zur Verfügung standen, wurde das Budget in 2023 nicht erhöht. Nach Einschätzung des Branchenverbandes VDV können auf diese Weise die für 2030 definierten Ziele nicht erreicht werden.

Fahrradfreundliche Städte: Die Förderung von Fahrradwegen und -infrastruktur

Noch etwas umweltfreundlicher als der Wechsel vom PKW zum Bus ist natürlich das gute alte Fahrrad. Dass die Deutschen grundsätzlich Lust aufs Radeln haben, zeigt der EU-Vergleich: Hier landet Deutschland auf Platz 6 der Staaten mit den meisten Radfahrer*innen.

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Besonders glücklich sind wir allerdings beim Radeln bisher nicht: Im ADFC „Fahrrad-Klima-Test“ aus 2022 wurde das Radfahrklima in Deutschland von den Teilnehmenden mit der Note 3,96 bewertet. Große Kritikpunkte waren dabei die fehlende Infrastruktur (z.B. breite Radwege) und auch die z.T. geringe Sicherheit beim Radfahren. Umfrageergebnisse aus 2019 und 2021 zeigen: Während 2019 nur 51% „meistens“ ein sicheres Gefühl beim Fahren hatten, waren es 2021 zumindest 61%. Dennoch: 30% der Befragten fühlten sich weiterhin „eher nicht sicher“.

Die kleine Stadt Wettringen, die als Positivbeispiel im Fahrrad-Klima-Test hervorgehoben wird, berichtet der Tagesschau, wie gute Bedingungen für Radfahrende erreicht werden können: Radwege werden bei der Vernetzung von Siedlungen direkt selbstverständlich mitgedacht, es gibt breite und beleuchtete Wege sowie Sonderregelungen, durch die Fahrräder im Verkehr Vorrang haben und Konflikte mit Autofahrer*innen vermieden werden können. Gelobt wurden darüber hinaus bei den Teilnehmenden der ADFC-Befragung – wo vorhanden – beispielsweise Mietradsysteme und Mitnahmemöglichkeiten im ÖPNV.

Unterstützung vom Bund gibt es auch hier, z.B. zum Ausbau des Radwegnetzes, für Fahrradparkhäuser und zur Förderung von Modellvorhaben. Unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit ist u.U. auch die Ausrüstung von KFZ mit Abbiegesystemen förderfähig, damit Radfahrende an Kreuzungen besser gesehen werden. Doch auch im Hinblick auf die Mittel zur Förderung von Radverkehr werden die geplanten Kürzungen für 2024 kritisiert; der ADFC sieht die Klimaziele für 2030 auch hier in Gefahr.

Öffentlicher Nahverkehr: Attraktive Angebote und Tarifstrukturen für Pendler

Der Sommer 2022 brachte Bahnfahrer*innen (und solchen, die es noch werden wollten) eine nie zuvor dagewesene Sensation: Ungeachtet aller Ländergrenzen, verstrickten Verbundtarifsysteme und Wochenendsonderregelungen konnte man mit dem 9-Euro-Ticket durch ganz Deutschland fahren. In welchem Umfang das Ticket auch positive Auswirkungen auf das Klima hatte, bleibt umstritten: Sind durch den Verzicht auf Autofahrten nun 180 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden oder doch nur 205.000 bis 671.840 Tonnen? Letztendlich spielen zu viele Faktoren eine Rolle, um dies im Nachhinein sicher zu bewerten, insbesondere die Kürze des Verfügbarkeitszeitraums und die reisefreundliche Jahreszeit. 

Klar ist jedoch eins: Jede Vergünstigung und Vereinfachung im Tarifdschungel des öffentlichen Nahverkehrs wird (besonders von Pendler*innen) begrüßt. Auch das Deutschlandticket für 49 Euro soll immerhin zu einer „wahrnehmbare[n] Verlagerung von der Straße auf die Schiene“ geführt haben, ergab eine Auswertung von Mobilitätsdaten des Mobilfunkanbieters O2 Telefónica. 

Auch im Fernverkehr können Reisende bei vorausschauender Buchung und der Nutzung von Sonderpreisen viel Geld sparen und ihre Anfahrt in den Urlaub umweltfreundlicher gestalten – Tipps gibt z.B. das Umweltbundesamt.

Aber egal wie günstig die Fahrt ist: Man muss am Ziel auch zuverlässig ankommen, und das idealerweise pünktlich. Gute Tarifstrukturen allein können den bestehenden Reformbedarf für den Schienenverkehr nicht ausgleichen.

Mobilität der Zukunft: Synergien zwischen öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrradverkehr

Das Erreichen nachhaltiger Mobilität ist ein vielschichtiges Vorhaben, das Maßnahmen in verschiedensten Bereichen erfordert. Hierbei können – und sollen – sich auch Synergieeffekte ergeben. Der Entwurf der europäischen Erklärung zum Radverkehr sieht beispielsweise die Schaffung von „mehr Synergien zwischen dem Radverkehr und anderen Verkehrsmitteln“ vor, „wie etwa durch die Möglichkeit, mehr Fahrräder in Bussen und Zügen zu transportieren, und durch die Bereitstellung von sicheren Fahrradstellplätzen an Bahnhöfen und Mobilitätszentren“. 

Die gemeinsame Nutzung von Fahrrad und ÖPNV ist nach einer Studie der TU Dresden bisher eher gering. Der Weg zur Haltestelle wird statistisch viel eher zu Fuß vorgenommen.

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Wer öfter in Bus und Bahn unterwegs ist, weiß aus eigener Erfahrung: Die Mitnahmemöglichkeiten für Fahrräder sind, vorsichtig gesagt, verbesserungsfähig. Auch der Bund erkennt hier das „erhebliche Konfliktpotenzial“ zwischen den verschiedenen Nutzungsbedürfnissen der Fahrgäste im Mehrzweckabteil. Im nationalen Radverkehrsplan aus 2020 wird daher als Alternative zur Mitnahme ein Ausbau des Angebots von Leihrädern an Bahnhöfen vorgeschlagen.

Fazit

Genau wie auf dem Weg zur Nachhaltigkeit in anderen Sektoren ist auch im Hinblick auf die Mobilitätswende noch viel zu tun. Kurzfristige Maßnahmen wie günstigere Ticketpreise bei der Bahn wirken mit sehr langfristigen Projekten wie dem Ausbau verschiedener Bereiche der Verkehrsinfrastruktur zusammen. Zudem herrschen in ländlichen und städtischen Regionen zum Teil sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen und damit auch ganz verschiedene Maßnahmenbedarfe. Profitieren können wir jedoch am Ende alle: Nicht nur durch saubere Luft, sondern vielleicht auch durch entlastete Nerven. Die Fahrt mit dem eigenen Auto soll nämlich die stressigste aller Pendelvarianten sein…

Annika Rischmüller

Normalerweise anzutreffen beim Stubenhocken und Introvertieren deluxe, inklusive schreiben, lesen, Podcasts hören, nerdy Filme schauen und komischer Verrenkungen auf dem Wohnzimmer-Teppich, die ursprünglich mal Yoga sein sollten. Gelegentlich aus dem Haus zu locken mit der Aussicht auf niedliche kleine Hunde oder einen besonders guten FroYo.
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